Skua und mehr…

Ein herzliches Hallo an die Familie und an alle Freunde

Am 1.12. um 16 Uhr heisst es Leinen los. Am Steg stehen alles bekannte Gesichter, die uns winken und zurufen, „see you on the other side…“. Mir läuft es kalt den Rücken runter, beim Gedanken an die bevorstehende Herausforderung. Doch jetzt ist es zu spät, also Kopf runter und durch. Der Einstieg ist hart mit vielen Böen und Wellen von allen Seiten. Ich frage mich bereits am 2. Tag was ich mir da eingebrockt habe!!! Martin bleibt ruhig wie immer und erträgt meine schlechte Laune geduldig. Die Nächte auf der Wache bei Leermond sind hart. Die Böen lassen mir keinen ruhigen Moment, immer bereit die Schoten los zu lassen und die Skua handgesteuert durch die Starkwinde zu führen. Nach 3-4 Stunden werde ich abgelöst und kann meinen müden Muskeln Ruhe gönnen. Unsere Tagesetmale liegen bei 120-140 sm, was uns schnell vorwärts kommen lässt. So geht es 10 Tage, bis dann die erste Flaute eintrifft, die uns aber in der Nacht jeweils Regenböen bringt. Ich schaue immer wieder auf die Karte und rechne aus, wie lange es noch dauert bis wir wieder Land in der Nähe haben. Langfahrten sind anstrengend und ich freue mich soooo sehr auf festen Boden, ruhiges Schlafen und Menschen!! Plötzlich sehe ich ein grünes Dreieck auf der elektronischen Seekarte (Kartenplotter) was bedeutet, juhee wir sind nicht ganz allein auf diesem riesigen Meer. Es ist eine Segelyacht und kurze Zeit später kommt noch eine dazu. Martin greift zum Funk und ruft die Schiffe auf. Das ist eine tolle Abwechslung und man gibt sich gegenseitig Informationen und Tipps über alles Mögliche. Tagsüber sind die zentralen Themen, Segelstellung, Kurs und die Einteilung der Wachen für die nächste Nacht. Zeit zum Kochen und Backen nehme ich mir wenn immer die Schiffsbewegungen es zulassen….. Martin fischt wenn immer möglich und am dritten Tag beisst eine ca 70cm lange Goldbrasse an. So eine Freude und zusätzlich 3 Nachtessen!!!!

Am 13.Tag kommt dann die totale Flaute mit 5-10kt Wind, wir versuchen es mit dem Parasailor, aber auch dieses Leichtwindsegel braucht etwas Wind. Also rechnen wir unseren Dieselvorrat aus und entscheiden uns für das Blechsegel bei 1500rpm, mal für diesen Tag und Nacht. Wir nehmen aber zuerst noch ein Salzwasserbad, was sehr angenehm und erfrischend ist bei den zunehmenden Temperaturen. In der Nacht kommt dann etwas Wind auf, aber zuwenig um das Risiko einzugehen, bei Dunkelheit auf dem Vorschiff zu arbeiten. So geht das fast 3 Tage. Die Nächte sind sehr schön, da der klare Sternenhimmel und die fluoreszierende Wasseroberfläche die fliegenden Fische sichtbar machen, die in grossen Schwärmen dem Schiffslicht entgegen fliegen. Leider landen sie auch auf Deck und verenden. Am 16.Tag sind wir wieder unterwegs mit 15-20 kt Wind, endlich!! Es zehrt an den Nerven, wenn es bei der noch verbleibenden Distanz nicht vorwärts geht. Wir segeln seit Tagen parallel mit einem dänischen Schiff, was uns täglich andere Stimmen hören lässt. Das geniessen wir Beide, und zusätzlich fühlen wir uns „geborgen“. Nun haben wir noch 366 sm, das heisst bei gutem Wind 3 Tage. Heute ist der 16.Tag auf See und letzte Nacht hat uns der Passat mit bis zu 24kt wieder erfasst. Nun rauschen wir durch die Wellen mit ca 6kt. So gehen die Meilen unter dem Kiel durch und das ersehnte Land kommt uns näher. Wenn wir so weiter fahren sind wir in 2 Tagen am weissen Sandstrand von Grenada, eine schöne Vorstellung…. Aber wir müssen es uns hart verdienen. Das Meer ist rauh mit hohen Wellen und der Wind bläst heftig, sodass die Bordroutine wieder etwas schwieriger ist. Wir fahren nun die klassische Passatbesegelung (beide Vorsegel ausgebaumt) stark gerefft wegen des starken Windes. Die letzten 200 sm werden also hart, wir bekommen kaum Schlaf in unserem Rollercoaster und es zehrt an unseren Kräften. Martin ist geduldig und motiviert mich, denn da müssen wir jetzt durch….aussteigen geht ja nicht!! Heute ist der 18.Tag und die letzten 130 sm sind angebrochen. Die Skua rollt hin und her in den Wellen und die Windböen machen es schwierig Kurs zu halten. Tagsüber versuchen wir abwechslungsweise etwas zu schlafen und zwischendurch müssen immer wieder Segelstellung und Kurs am Wind angepasst werden. Nach unserem letzten Nachtessen mit Plastiktellern und trinken aus der Flasche beginnt die erste Wache. Alle Geräte werden auf Nachtmodus eingestellt, die Reffs kontrolliert. Die letzte Nacht verläuft relativ ruhig und ich habe einmal mehr einen traumhaften Sternenhimmel über mir mit vielen Sternschnuppen. Noch ca 14 Stunden und wir sind am Ziel. Doch diese Stunden werden noch hart mit vielen Böen und wieder höheren Wellen. Ich schaue alle 20 Min. auf die Karte und messe die Distanz bis ans Ziel. Ich habe häufig gelesen, dass man das Land riechen kann. Grenada, die Gewürzinsel macht sich alle Ehre, denn wir riechen sie schon aus 15 sm Entfernung. Der Duft von Muskatnuss und verschiedenen anderen Gewürzen steigt uns nach so langer Zeit mit Meeresgeruch stark in die Nase. Wir sind glücklich und froh über die Annäherung zum Festland. Ich schicke meiner Schwester eine SMS mit der ungefähren Ankunftszeit und bereite mich für die Einfahrt in den Hafen vor.

Endlich ist es soweit und die Clavigny Bucht liegt vor uns, eine schwierige schlecht betonnte Einfahrt lässt uns beinahe noch auf Grund laufen. Im letzten Moment drehen wir links ab und fahren zum Steg. Von weitem sehe ich Yvonne am Steg und die Emotionen fahren Achterbahn… Die Skua wird festgemacht und wir betreten mit grosser Freude und Erleichterung festen Boden. Auf wackeligen Beinen umarmen wir uns und stehen mit Freudentränen in den Augen da, können es noch nicht glauben, dass die Strapazen nun vorbei sind. WIR HABEN ES GESCHAFFT!! Nach 18 Tagen und 20 Stunden von Mindelo nach Grenada. Wir erhalten den Welcome-Drink der Marina (mit Rum!!), der mir nach 19 tägiger alkoholfreier Zeit sofort zusetzt…. Egal, wir sind einfach nur glücklich und erleichtert gesund angekommen zu sein. Nun werden wir sicher eine Woche hier bleiben, einerseits um uns zu erholen und andererseits muss eine Wante (Halteelement des Mastes) ersetzt werden. Jetzt freuen wir uns auf Weihnachten mit Yvonne und den Yachties in der Karibik bei 28 Grad, einmal ganz anders….

Wir wünschen Euch Allen frohe Festtage und ein gutes, gesundes neues Jahr. Hebed eu sorg.

Herzlich aus Le phare bleu, Grenada

Martin und Denise